
Die kurdische Stadt Nusaybin nach Angriffen der türkischen Armee, 2016
Foto: Reuters / Sertac Kayar
Wie sich kurdische Schriftsteller und andere Künstler gegen die Repression des türkischen Staates wehren
Luqman Guldivê*
Als Şener Özmen 2017 den Roman »Xeyb« (Jenseits) veröffentlichte, wusste er, dass dieser nur wenige Leser finden würde. Sein drittes auf Kurdisch geschriebenes literarisches Werk wird in der Türkei von einer recht kleinen urbanen Kulturelite und im europäischen Exil von einer stetig wachsenden Zahl Intellektueller rezipiert. Der schlichte Grund für die überschaubare potentielle Leserschaft liegt vor allem darin, dass in der Türkei nur wenige Menschen – meist solche mit Hochschulabschluss – überhaupt kurdisch alphabetisiert sind. Şener Özmen ist dieser Umstand bewusst: »Wir sagen, wir schreiben auf Kurdisch. Wir sind also Schriftsteller einer Sprache, die dabei ist auszusterben. Ich schreibe folglich nicht der Kunst wegen.«
Özmen zählt zu den derzeit prominentesten kurdischen Künstlern aus der Türkei. Seine Bedeutung als Schriftsteller wird von Literaturkritikern als herausragend eingestuft, weil er zu den wenigen Autoren zählt, die neben innerkurdischen gesellschaftlichen Problemen auch andere politische Fragen ansprechen. Seine Arbeit verweist nicht auf etwas, was der kurdischen Sprache und Gesellschaft inhärent ist, sondern auf eine externe Determinante: die staatliche Sprach- und Kulturpolitik der Republik Türkei.
Um diesen Komplex besser verstehen zu können, bietet sich der Begriff der »Resistance Literature« an. Der Terminus entstammt den Postcolonial Studies und wurde durch das gleichnamige Buch der Literaturwissenschaftlerin Barbara Harlow geprägt. Ihr theoretischer Ansatz beinhaltet die Einbeziehung der sozialen, politischen und historischen Kontexte literarischer Texte der (post-)kolonialisierten Welt für deren Analyse. Um die gegenwärtige kurdische Literaturproduktion zu begreifen, bedarf es also auch eines historischen Exkurses zu den Gründungsjahren der Republik Türkei.
Wie ein Frühling sich in den Winter verwandelte
Die Modernisierungsversuche der Jungtürken mündeten in die konstitutionelle Revolution vom 12. Juli 1908 – den Beginn der zweiten osmanischen Verfassungsperiode.
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*Luqman Guldivê ist Kulturredakteur und Kolumnist der Tageszeitung Yeni Özgür Politika und wissenschaftlicher Beirat der Kurd-Akad, Netzwerk kurdischer AkademikerInnen.
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2019, erhältlich ab dem 14. Juni 2019 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.