Udo Lindenberg wird 65 Jahre alt. Jetzt ist er offiziell ein Senior
Udo Lindenberg ist der erste deutsche Musikathlet, der es wirklich drauf hat, sich zu zeigen. Er verwässert seine Gedanken und Gefühle nicht in obskuren Wortgebilden.
Die Verletzungsgefahr ist natürlich sehr groß, er muss die Panikschutzbekleidung anlegen. Andere Pioniere der nachkriegsdeutschen Popkultur legen sich dafür sogenannte Textdichter zu. Es mangelt der singenden Konkurrenz in den 70er Jahren an Mut und Intelligenz. Niemand kann die Lindenbergsche Sensibilität erreichen. Mit Titeln wie »Mädchen aus Ostberlin« und »Cello« machte sich der Cowboyrocker nackt. Ich will es hiermit in aller Öffentlichkeit ebenfalls tun: Udo, ich liebe dich!In den friedensbewegten 80ern wirkten die liedgewordenen Ängste der Künstler in Ost und West meist wie Machwerke der Abteilung Agitation und Propaganda. Der geschmackssichere Lindenberg lässt sein Lied »Wozu sind Kriege da?« lieber gleich von einem Kind singen. Auch in der Politik beweist er das richtige Fingerspitzengefühl. Dem bornierten Wahrheitsanspruch beider Welten begegnet er mit Humor. Der »Sonderzug nach Pankow« knallt voll durch die Mauer und lässt mehr Menschen aufsteigen als alle anderen gutgemeinten Mitfahrgelegenheiten.
In der Wiedervereinigungseuphorie malt er uns schließlich mit »Bunte Republik Deutschland« ein entspanntes Wunschbild für das erhoffte gemeinsame neue Land. Doch dann wurde Udo vorübergehend sprachlos. Wahrscheinlich lag es nicht nur an der plötzlich so seltsam windstillen Zeit, sondern auch am guten Chianti, der ihm von all seinen neu erreichbaren Jüngern in angestauter Dankbarkeit dargereicht wurde.
Udo Lindenberg fiel jedenfalls in eine Art postkoitale Depressionsstarre und malte fortan zur Selbstfindung in Likör. Die Panikschutzbekleidung wurde nur noch seelenlos spazierengetragen, gleich dutzendfach, man wusste gar nicht mehr, unter welchem Hut der wahre Udo steckt. Doch die Legende lebte weiter und wurde mit der Sehnsucht der Menschen wahrscheinlich größer denn je. So ein Hut und eine Sonnenbrille eignen sich hervorragend als Projektionsfläche. Udo, Udo – erlöse uns vom Profanen!
Und so geschah es, dass der Rockmessias im Jahre 2008 zurückkehrte und doppelt erstarkt den deutschen Bühnenboden betrat. Alle haben daran geglaubt und alle haben es ihm gegönnt. Trotz Verkleidung war, ist und bleibt Udo Lindenberg einer von uns.
Lieber Udo. Du hast dem Rock’n’Roll Schicksal ein Schnippchen geschlagen und wirst nun 65 Jahre alt. Du trinkst, wie man so hört, nicht mal mehr zwei Schnäpse am Tag. Ich wünsche dir trotzdem noch viele glückliche Jahre und hoffe, dass du eine gute Muse hast, die es dir mehr als einmal im Monat besorgt. Und zwar gut und gern, um diese meine Liebeserklärung mit den Worten des Textdichters Werner Karma zu verkleiden.
Dirk Zöllner
65 also! Was heißt das nun? Schon 65? Erst 65? Das ist aus dem Blickwinkel unserer Generation tatsächlich schwer zu beurteilen. Wir wurden auf diese Welt losgelassen, da warst du schon lange da. Und hast diese selbstverständliche Omnipräsenz in keiner Phase unseres Aufwachsens wieder hergegeben. Mehr Konstanz besaßen nur Mama und Papa. Und allerhöchstens noch »Wetten, dass …?«. Wobei hier zumindest die Rechtschreibreform an Details kratzte. An dir hingegen gar nichts. So, wie wir dich kennenlernen durften, so bist du geblieben. Ohne dabei auf der Stelle zu treten. Musikalisch immer offen und mit Mut zum Experiment, der Kern jedoch blieb immer erhalten. Deine Ehrlichkeit, deine Kompromisslosigkeit. Aber Lobtiraden auf deine vergangenen Errungenschaften wirst du wahrscheinlich zur Genüge lesen.
Was uns, gerade als junge Band, natürlich besonders dankbar macht, ist dein Engagement, den Nachwuchs zu fördern. Auch wir haben dir viel zu verdanken, schon zu Beginn unserer Karriere spieltest du uns in deiner Radioshow, allein das war für uns eine unfassbare Ehre. Doch der Ritterschlag sollte erst noch folgen: Persönlich ludest du uns ein, dich bei zwei Konzerten in Rostock zu unterstützen. Es gab keinerlei Berührungsängste oder Distanz. Dass du dir das über all die Jahre bewahrt hast, hat uns sehr imponiert. Bitte bleib uns genau so erhalten. Mindestens die nächsten 65 Jahre. Dein Lebenswerk ist hoffentlich noch lange nicht vollbracht, all den Auszeichungen zum Trotz. Nie meinten wir das ernster: Udo, bleib wie du bist!
Es gratulieren herzlichst,
deine Jennifer Rostock
Die Geburtstagsglückwünsche von Dirk Zöllner und Jennifer Rostock finden Sie in der melodie&rhythmus 3/2011, erhältlich ab dem 3. Mai 2011 am Kiosk oder im Abonnement.
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