Tricky redet Klartext über Karrieristen und Duckmäuser im Musikbusiness
Interview: Dagmar Leischow
Adrian Thaws alias Tricky ist ein Mann, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Auf seiner CD »Skilled Mechanics« arbeitet er einige Kindheitstraumata auf. Und im Gespräch verteilt der Brite, der in Berlin lebt, Seitenhiebe gegen Kollegen wie Kanye West.
Was halten Sie von Musikern, die am liebsten fröhliche Lieder ohne Tiefgang singen?
Sagen wir es so: Sie sind das beste Beispiel dafür, wie sich das Musikgeschäft im Laufe der Jahre verändert hat. Heutzutage streben die Leute in erster Linie nach Erfolg, Ruhm und Geld. Jemand wie Kanye West ist nur noch auf gutes Airplay bedacht. Dabei war er nicht immer so. Als der Hurrikan Katrina in New Orleans wütete, sagte er im Fernsehen: »George Bush sind die Schwarzen völlig egal.« Das war ein brillantes Statement, nur hat er sich danach nie wieder politisch geäußert. Vielleicht hatte er Angst davor, sanktioniert zu werden. Nach dem Motto: Die Songs von Kanye West werden im Radio nicht mehr gespielt. Seitdem er bloß noch über seine Modekollektion oder die Turnschuhe, die er designt hat, redet, ist er zu einem der erfolgreichsten Musiker aufgestiegen.
Das scheinen Sie ihm übel zu nehmen.
Ich ziehe echte Künstler wie Bob Marley oder John Lennon vor. Die haben sich nicht von der Konsumgesellschaft vereinnahmen lassen, sondern sich für das eingesetzt, was ihnen wichtig war. Unabhängig davon, wie sich das auf ihre Karriere hätte auswirken können. Davor habe ich Respekt − nicht vor einem wie Kanye West, der sich von der Krankheit Ruhm hat anstecken lassen.
Aber Sie wollten doch bestimmt als Teenager auch berühmt werden.
Niemals! Ich habe mich stets an der HipHop-Szene orientiert, wo Glaubwürdigkeit wichtiger als alles andere war. Auch die Ska-Band The Specials hat mich beeindruckt. Da hatten sich Jungs von der Straße zusammengetan, denen es nicht um Erfolg ging. Als David Bowie sie nach einem Konzert hinter der Bühne treffen wollte, schickten sie ihn einfach weg. Ihre Haltung habe ich genauso bewundert wie den Happy-Mondays-Sänger Shaun Ryder. Er war ein Antipopstar, der alles dafür tat, seinen Ruhm zu zerstören.
Sie gelten ebenfalls als unangepasst.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mit der israelischen Politik nicht einverstanden bin. Was die Israelis den Palästinensern antun, ist in meinen Augen ein terroristischer Akt. Deswegen habe ich den Song »Palestine Girl« geschrieben, den ich sogar bei meinen Auftritten in Israel singe. Das erfordert Mut. Aber wenn ein Künstler sich nicht für Veränderungen einsetzt, hat er keine Existenzberechtigung.
Auf Ihrer CD »Skilled Mechanics« rückt Persönliches in den Vordergrund. In dem Stück »Boy« lassen Sie Ihre harte Kindheit Revue passieren.
Trotz allem gibt es schlimmere Schicksale als meins. Mein jüngerer Bruder saß in den letzten acht Jahren im Gefängnis. Verglichen mit ihm bin ich wesentlich besser dran. Ich konnte aus meinen familiären Dramen den Stoff für meine Lieder ziehen. Mein erstes Album »Maxinquaye« habe ich nach meiner Mutter benannt. Als bekannt wurde, dass sie Selbstmord begangen hat, traf das viele Leute mitten ins Herz. Darum haben sie mir ihre Liebe geschenkt.
Tricky Skilled Mechanics
False Idols
www.trickysite.com
Das komplette Interview lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 2/2016, erhältlich ab dem 26. Februar 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.