Mona La Phona schauen in die Tiefen
Text: Christoph Schrag, Foto: Orange ‘Ear
»Es war nicht mehr die ruhige Bestrahlung unseres gewöhnlichen Lichtes! Es war dabei eine ungewohnte Kraft und außerordentliche Bewegung im Spiel! Man fühlte, es war ein lebendiges Licht!« (Jules Verne, 20.000 Meilen unter’m Meer)
Das Licht, das Jules Verne hier unter die Nautilus legt, hat sich in unserer Sprache im gleichermaßen deskriptiven wie verheißungsvollen Wort Meeresleuchten niedergeschlagen. Der Anblick selbst muss immer noch beeindruckend sein. Das kann man schon von den Fotos erahnen, die eine schnelle Netzrecherche zutage fördert. Auf Englisch übrigens: »milky seas effect«, oder schöner, »glowing seas«. Und eben so haben Mona La Phona ihre Platte genannt. Hinter dem Bandnamen stecken zwei Damen aus Berlin, die nicht nur ein Faible fürs geheimnisvolle Funkeln haben, das sie akustisch in Summen, Klingen und Klirren übersetzen. Man darf ihnen auch eine spielerische Lust am Verne’schen Forscherdrang unterstellen: Raketen, Ballons und Teleskope bevölkern ihre Texte, und tragen die beiden zu »hidden places«, wenn es wie in »Universe Of Dots« oder »Goldfish« um die Sehnsucht geht, zu erleben, was es zu erleben gibt. Es klingt dabei aber auch immer das Gefühl der Zerrissenheit an, weil man auf dem Weg zu neuen Ufern das bereits gelebte Leben nicht durch die Finger schlüpfen lassen will.
Man darf den Ursprung dieser zwiespältigen Sehnsucht, die sich zugleich nach innen und außen wendet, wohl in der konkreten Realität der beiden Musikerinnen suchen. Svenja Weiß und Sonja Baumann stecken zwischen zwei Leben: Wie viele Musiker gehen sie einerseits festen Berufen nach, um sich andererseits die Freiheit leisten zu können, ihre musikalischen Welten zu bauen. Kennengelernt haben sie sich vor Jahren in Oldenburg im Musikstudium. Was sie sofort verband war zum einen die Experimentierfreude, die dazu führte, dass sie bis heute die verschiedensten Instrumente auf der Bühne spielen, und zum anderen der Drang nach mehr. Nach Berlin zum Beispiel, wo die beiden jetzt leben.
Hier in Berlin haben sie auch »Glowing Seas« aufgenommen. Im Studio von Stefan Wittich von Tele. Er fügte Synthies und Drums ein, nachdem Mona La Phona ihr Musikalienarsenal aus Violine, Piano, Akkordeon, Gitarre und Glockenspiel aufgenommen hatten. Trotz aufwendiger Produktion, die sogar vor einem spontan gecasteten Chor nicht zurückschreckt, bewahrt »Glowing Seas« den Charme des Selbstgemachten. Als hätten Sonja und Svenja für ihre Entdeckerreisen durch die eigene Sehnsuchtslandschaft ihre Gefährte zu Wasser, Land und Luft aus Pappe und Farbe, Liebe und Fantasie gebastelt.
Ihr Album mündet am Ende in einen Song über das Altern und das einzige, was dabei wohl nicht vergeht: die Lust auf mehr. Nach allen Höhen und Tiefen ihrer Geschichten, nach einer Reise durch das Leben also, kommen sie zu dem Schluss: »If there was a button, I wouldn’t hesitate to press repeat« – Das Leben liefert diese Funktion leider nicht mit. Wer Mona La Phonas Album auf einem modernen Abspielgerät hört, dürfte eine solche dagegen sehr wohl vorfinden.
Mona La Phona Glowing Seas
Beeah Music
monalaphona.com
Der Artikel erscheint in der Melodie&Rhythmus 2/2014, erhältlich ab dem 28. Februar 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.