Im Berliner Tingel-Tangel-Theater wurden Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt
Alan Lareau
Von einer kleinen Bühne aus ging ein frecher Geist des kritischen Humors durch ganz Berlin: Friedrich Hollaenders Tingel-Tangel-Theater im Keller des Theaters des Westens am Bahnhof Zoo. Besonders eine Nummer der neuen Show im September 1931 versetzte Berlin in helle Aufregung. Zu einer Melodie aus der Oper »Carmen« brachte die pummelige Annemarie Hase quietschend eine Liste bizarrer Anschuldigungen hervor und führte den Antisemitismus dieser Tage ad absurdum: »An allem sind die Juden schuld!«
Ob dein Telefon besetzt ist,
Ob die Badewanne leckt,
Ob dein Einkommen falsch geschätzt ist,
Ob die Wurst nach Seife schmeckt!
Mit dieser sich ins Unsinnige steigernden Litanei entlarvte der mutige jüdische Komponist der späten Weimarer Republik die Ressentiments der Nationalisten als Reflex bodenloser Dummheit.
Nach dem Erfolg seiner Lieder zum Tonfilm »Der blaue Engel« – der Name »Tingel Tangel« spielt auf das derbe Hafenvarieté im Film an, wo Marlene Dietrich auftrat – erfüllte der Songschreiber (»Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt«) sich seinen Traum eines eigenen literarischen, satirischen Kabaretts, bei dem er selbst alle wichtigen Rollen übernehmen konnte: Textdichter, Komponist, Regisseur und Begleiter am Flügel. Hier ging’s um Geist, um Witz, um musikalischen Widerstand im Zeitalter der großen politischen und kulturellen Turbulenzen. Das Kabarett sei, schrieb Hollaender, »das gegebene Schlachtfeld, auf dem mit den einzig sauberen Waffen geschliffener Worte und geladener Musik jene mörderischen aus Eisen in die Flucht geschlagen werden können«.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2016, erhältlich ab dem 2. September 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.