Die Staatsschützer beschwören mal wieder die linke Gefahr
Die Worte extrem und extremistisch liegen so schön beieinander, Unaufmerksame könnten sie für Synonyme halten. Dabei meint das eine lediglich den Superlativ, etwa von Lautstärke. Laut und leise, ein Gegensatzpaar wie links und rechts, das seit der Französischen Revolution auch für politische Auffassungen benutzt wird. Die einen wollten für alle Freiheit und Gleichheit, die anderen Herrschaft.
Inzwischen scheint es zum Allgemeinwissen zu gehören, dass links und rechts an ihren Rändern identisch wären. Aber noch immer wollen die einen keine Ausbeutung und keinen Nationalismus und die anderen eine Hierarchie, in der sie wertvoller sind als andere.
Die Einebnung dieses Gegensatzes funktioniert über das Adjektiv »extremistisch«. Wo politische Ansichten mit Radikalität vertreten würden – in Lautstärke und Auftreten –, verschwände die Differenz. Gerne wird angeführt, dass sich schon in der Weimarer Republik Kommunisten und Nazis bekämpft und die Demokratie zerstört hätten. »Als ob die Forderung nach Anarchie und die nach Gaskammern synonym wären« (Martin Büsser).
17-jährige Punks, die ein Hasslied gegen »Bullenschweine« verfassen, weil »immer nur wir im Knast landeten und nicht die Faschos« (Dirk Jora, Slime), gelten als menschenverachtend.
Am 10. Mai 2011, drei Jahrzehnte nach ihrer Veröffentlichung, gelangte die Platte »Slime I« mit dem Song »Bullenschweine « auf den Index. Der brandenburgische Verfassungsschutz nimmt das zum Anlass, verstärkt die linke Szene nach »extremistischen« Bands zu durchforschen. »Wir stehen da erst am Anfang.«
In Sachsen ist die Polizei schon weiter und durchsuchte am 10. August die Wohnung eines Jenaer Jugendpfarrers, weil der – seit DDR-Zeiten – auch mit Punks arbeitet. Beschlagnahmt wurde der Kleinbus der Jungen Gemeinde, der als »Lauti« bei Demonstrationen diente. Das mache ihn zur Tatwaffe.
Lene Zade
Der Beitrag erscheint in der melodie&rhythmus 5/2011, erhältlich ab dem 6. September 2011 am Kiosk oder im Abonnement.
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