Kobitos Blick richtet sich nach innen
Text: Christoph Schrag, Foto: Promo
Eigentlich gehen wir ja nie in diese amerikanischen »Feinschmecker«- Schnellrestaurants, versichern wir uns gegenseitig. Aber nachts um eins sind sie manchmal konkurrenzlos. Vor allem: Die Kraft, sich gegen Friteusenwolken zu stemmen, ist dann am Tiefpunkt. Dabei gäbe es für Leute wie Kobito, die sich kritisch mit Kapitalismus und Gesellschaft auseinandersetzen, genügend Gründe, einen großen Bogen um Fastfood-Ketten zu machen. Zumal er von eigenen Reisen weiß, wie sich diese Wirtschaftsform etwa auf die Landschaften in seinem geliebten Argentinien auswirkten. Aber, hey, der Typ mit Block und Bleistift ihm gegenüber war schließlich der Verführer.
Kobito ist einer der ersten Rapper in Berlin, die die linke Szene zum Hip Hop zurückgebracht haben. Oder umgekehrt. In der zweiten Welle des politischen Rap war er als blutjunger Typ mit der Hip Hop Crew Schlagzeiln vorn dabei. Klar, auf einem lokalen Level. Aber das ist gerade im linken Spektrum schnell national. Vor allem, wenn man wie er, Refpolk, Mister Mo und KaiKani für die Hausbesetzerhymne »Köpi bleibt« verantwortlich ist. Schlagzeiln waren eine zeitlang sowas wie die Hauskapelle der Köpenicker Straße 137 in Berlin. Punk? Fehlanzeige. Rap mit Kapuzenpulli und erhobener Faust.
Drei Alben brachten sie raus. Doch wer genau hinhört, erkennt, warum die Vier zwar noch eng miteinander arbeiten, aber Schlagzeiln bald nicht mehr als gemeinsame Überschrift taugte: Während Refpolk politische Frontstellungen auslotete, waren Kobitos Lyrics persönlich motiviert. Gesellschaftliche Missstände schwingen in seinen Geschichten eher mit, als dass er sie konkret anprangert. Seine Suche geht nach innen. Deutlich zu hören in seinem ersten Solo-Album nach Schlagzeiln, »Zu eklektisch«. Auf dem Track »Wer bin ich« vermisst er wie ein Quantified-Self-Anhänger akribisch sein Leben und kommt zu dem Schluss, dass er durch Fakten und Zahlen nichts von sich erfährt.
Die Suche nach der eigenen Sprache, mit der er sich selbst auf die Spur kommen kann, führte Kobito in den letzten drei Jahren zu einem Studium der Geschichte und Publizistik, auf Reisen nach Argentinien, wo er in einem genossenschaftlichen Radiosender arbeitete, argentinische Rapper interviewte, oder einfach herumfuhr. Sie führte ihn vielleicht sogar zum Boxen, das er in Berlin wie Buenos Aires lernte. Und zu einer viel beachteten EP mit der Berliner Rapperin Sookee, die wie er dabei eine Auszeit vom Diskurs- Rap nahm – als Deine Elstern.
Wer Kobito heute trifft, selbst nachts um eins in einer besseren Frittenbude, hat einen Mittzwanziger gegenüber, der nach den Reisen, dem Studium und den Kollabos voller Energie steckt und eine klare Vorstellung hat, was als nächstes passieren soll. Gerade hat das Hamburger Krawallo-Label Audiolith erste Tracks von ihm veröffentlicht. Als nächstes soll ein Album kommen. Beim Label mit den Punk-Wurzeln hat Kobito auch sein Herz für politischen Rap wiederentdeckt. Gemeinsam mit Refpolk und Sookee schrieb er einen Track gegen Nationalstolz.
Ein kleiner Kreis schließt sich, auch wenn sich die Widersprüche darin nicht auflösen. Sein nächstes Album soll einfach zwei Seiten haben: ruhig und rotzig, liebevoll und fordernd. Ein Künstler braucht diese inneren Konflikte wohl auch. Wie soll man das auch anders sehen, nach einem langen Gespräch über Gott und die Welt, mit fettigen Pommesfingern gestikulierend und diesem leichten Schuldgefühl im Magen, mitten in der Nacht in einer Fastfoodspelunke …
Kobito Fangen Spielen
Audiolith
www.kobi.to
Der Beitrag erscheint in der Melodie&Rhythmus 4/2013, erhältlich ab dem 28. Juni 2013 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.