Melodie & Rhythmus

Die letzte echte Retro-Dekade

26.06.2012 10:57
Schwerpunkt: Die glorreichen Achtziger

Die Achtziger Jahre werden als Retro-Mode überleben. Sie waren mehr als Geier Sturzflug, Schulterpolster und gegelte Haare
Text: Jenni Zylka, Fotos: Kirsten Neumann (ddp), Heribert Proepper (AP)

A propos »Kill Your Idols«: Am 8. Dezember 1980 wurde John Lennon vor dem Dakota Building in New York erschossen. Das Jahrzehnt begann also mit dem Mord an einem der größten lebenden Idole. An jemanden, der – egal, wie ernst man das zuletzt nehmen konnte – über zehn Jahre seines Lebens als selbst ernannter Friedenskämpfer verbracht hatte. Einen deutlicheren Gegenentwurf zur Idee, dass man die Verhältnisse auch friedlich ändern könne, gibt es nicht. Oder, um mit Killing Joke in ihrer Jahrzehnt-Abrechnung von 1984 zu sprechen: »Eighties – I’m living in the Eighties/Eighties – I have to push I have to struggle/Eighties – get out of my way, I’m not for sale anymore/Eighties – let’s kamikaze til we get there«.

Andererseits war Lennons Mörder ein geisteskranker, kein politischer Täter. Und die 80er, wenn man sie denn schon erlebt hat, kommen einem im Rückblick mitnichten so hart und martialisch vor, wie Killing Jokes Text und das dazugehörige, später von Kurt Cobain zweitverwertete Riff es beschwören (siehe Seite 54). Das Jahrzehnt mag technikorientierter gewesen sein als die traditionellen 50er, die handgemachten 60er und die ausufernden 70er, ehrgeiziger, kälter. Zumindest nach außen hin. Oliver Stones Film »Wall Street« spielt 1985 in New York und setzte den Startpunkt der Aktiengeschäfte-fürjedermann-Mentalität, die 15 Jahre später in den diversen Finanzkrisen und dem New Economy-Untergang mündete. In vielen Kreisen bewegten sich haargegelte, mit Schulterpolstern zur dreieckigen Silhouette verformte junge Menschen, die alberne Abkürzungs-Kosenamen füreinander fanden: Der Yuppie war in den 80ern tatsächlich noch der »Young Urban Professional«. Jetzt ist der Yuppie alt, und die Globalisierung (ein Begriff, den in den 80ern höchstens Experten in ihrem aktiven Wortschatz hatten) hat die Exklusivität des Urbanen weitgehend zur Strecke gebracht.

Whitneys Locken & Nenas Achselhaare
Wollte man in den 80ern Kultur machen, vor allem Musik, so kam man kaum an der Elektronik vorbei: Nach Jahrzehnten des Gitarrengegniedels, egal ob das pittoreske Fingerpicking der 50er-Rockabilly-Gitarristen oder die stundenlange Gitarrensolo-Masturbation der 60er-Hippies und 70er-Psychedelics, genoss man wohltuend regulierte und strukturierte Computersounds und –beats, die unabhängig vom menschlichen Faktor straighte Rhythmen vorzählten. Und so, wie die moderne Tontechnik und Mikrophonierung in den 40ern plötzlich hübsche, aber dünne Stimmchen hörbar machten, die ohne technische Verstärkung komplett untergegangen wären (Frank Sinatra!), standen in den 80ern auf einmal Menschen auf der Bühne, die komplett auf das Gruppenfeeling einer Band verzichtet hatten. Die mit einem Keyboard quasi vier lebendige Mukker arbeitslos machen wollten.

Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 4/2012, erhältlich ab dem 29. Juni 2012 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch hier bestellen.

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