Die neoliberale Umverteilung von unten nach oben hat nicht nur verheerende soziale Folgen. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Verlagerung von Produktionen aus den westlichen Industrie- in die Niedriglohnländer hat auch kulturelle Verwerfungen gezeitigt: Arbeiter werden von der Kulturindustrie ausgegrenzt, verächtlich gemacht, hier und da wird sogar aggressive Stimmung gegen »die da unten« verbreitet. Der neue-alte Klassenhass zielt besonders auf die organisierten Arbeiter und die Gewerkschaften.
Dagegen müssen wir uns wehren mit einer kritischen Gegenkultur. Damit perspektivisch Antithesen zum Chauvinismus der ökonomischen Eliten formuliert werden können, sind kritische Bestandsaufnahmen nötig, die so manche schmerzhafte Wahrheit zutage befördern. Es gilt aber auch, hoffnungsvolle historische Momente wieder aufzurufen, in denen Künstler und Kulturschaffende Seite an Seite mit Arbeitern in Streiks, sogar revolu tionären Umbrüchen gekämpft und bewiesen haben, dass es auch ganz anders geht.
Um möglichst viele Menschen von der Notwendigkeit einer Gegenkultur-Offensive überzeugen zu können, sind Kooperationen gefragt. Die Redaktion der M&R meint: Für eine Ausgabe mit dem Titelthema »Arbeit & Gewerkschaft« gibt es keinen kompetenteren Partner als die ver.di-Zeitschrift KUNST+ KULTUR, die in dieser Ausgabe mit Gastbeiträgen vertreten ist und mit der M&R einen Barbara-Thalheim-Abend veranstalten wird (s. S. 8). Das Sprachrohr aller in einer der größten Gewerkschaften der Welt organisierten Künstler und Kulturarbeiter zusammen mit der traditionsreichsten linken Musikzeitschrift in Deutschland: Was kann das bringen? Liebe Leser, sicher eine Menge neuer Informationen, erweiterte Horizonte – und »vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!«
Susann Witt-Stahl
Chefredakteurin M&R
Was mir an Melodie und Rhythmus gefällt? Sie ist seit geraumer Zeit eine von der Kulturindustrie unabhängige Zeitschrift. Des Weiteren widmet sie sich Themenschwerpunkten, die in unserer von Unterhaltungs- und Verdummungsmechanismen geprägten Gesellschaft offenbar kaum jemand mehr konzentriert denkt. Dass es darin vorwiegend um Kultur von unten geht, linke Kultur – Musik, die auf gesellschaftskritischen Traditionen aufbaut und sie weiterentwickelt, liest man in jeder Ausgabe. Diese Zielstellung verfolgt auch die kulturpolitische ver.di-Zeitschrift KUNST+KULTUR. Sie ist ebenfalls von der Kulturindustrie unabhängig, finanziert sich überwiegend aus den Beiträgen der Gewerkschaftsmitglieder und wendet sich vorrangig an Menschen, die Berufe im Bereich Kunst und Kultur ausüben: Musiker, Schreibende, Übersetzer, bildende Künstler und an Theatern und Bühnen Beschäftigte. Was liegt also näher als eine Kooperation unserer beiden Zeitschriften – allemal bei dem Thema »Arbeit & Gewerkschaft«?
Der Unterschied zwischen den beiden Zeitschriften besteht darin, dass die acht Ausgaben der KUNST+KULTUR im Gegensatz zur M&R interdisziplinäre Themenschwerpunkte haben. Wir wollen die Leser der M&R und die in unterschied lichen Kunstsparten arbeitenden KUNST+KULTUR-Leser – etwa 20.000 haben wir – füreinander interessieren und ihnen ein erweitertes Angebot unterbreiten. Darin sehen wir einen solidarischen, gewerkschaftlichen Grundgedanken. Zudem sind ästhetische, kreative und soziale Prozesse spartenübergreifend, also gesamtgesellschaftlich und kritisch zu betrachten. Deshalb freue ich mich über unsere gemeinsame Sache: Sie kann uns alle nur stärken.
Burkhard Baltzer
Chefredakteur KUNST+KULTUR