Was hinter den Statistiken der Musikindustrie steckt
Interview: Alan van Keeken
In der Musikindustrie dreht sich alles um Zahlen. Die Chefetagen sind besessen von Nummer-eins-Hits und honorieren Alben und Songs ab einer bestimmten Anzahl verkaufter Stückzahlen mit Gold und Platin. In Zeiten von Streaming und Big Data nutzen sie Algorithmen, um den nächsten Erfolg vorherzusagen. Sie versorgen die Nutzer von Streamingportalen mit maßgeschneiderten Playlists, damit diese nicht aufhören, Klicks zu generieren. M&R sprach mit dem Musikwissenschaftler Richard Osborne, Mitherausgeber des jüngst erschienenen Bands »Music by Numbers«, über den nicht selten manipulativen Einsatz von Statistiken für die effiziente Vermarktung populärer Musik.
Ein zentrales Thema in Ihrem Sammelband sind die sogenannten Lobbynomics der Musikindustrie: selektiv interpretierte und auf zweifelhafter Datenbasis erhobene Statistiken, die vor allem die Profite in dieser Branche wachsen lassen sollen. Können Sie ein aktuelles Beispiel geben?
In einem Fall nutzte der Verband der britischen Musikindustrie, British Phonographic Industry (BPI), Statistiken, um sich im Streamingbereich in ein positives Licht zu rücken. Anfang 2020 diagnostizierte er einen »gesteigerten Wettbewerb um Aufmerksamkeit« auf den Plattformen. Das diente ihm als Argument, für »traditionelle Labels« zu werben; nur diese könnten die Investitionen ins Marketing aufbringen, um Musiker erfolgreich zu machen, so die Begründung. Einige Monate später stieß die BPI dann – wieder mit neuen Zahlen – in ein anderes Horn: Streaming habe den Markt »demokratischer« gemacht, im Schnitt verdienten Künstler nun mehr als im Zeitalter der CD, hieß es. Der Grund? Durch eine Untersuchung der britischen Regierung zur Ökonomie des Streamings sah sie sich zu einer Rechtfertigung genötigt.
Ihre eigenen Buchbeiträge konzentrieren sich auf die »Klassiker«: die Charts, den Nummer-eins-Hit und die mystische Formel, dass von zehn Künstlern nur einer erfolgreich sein würde. Haben sich diese Phänomene im Laufe der Jahre geändert?
Letztere Aussage hält sich hartnäckig. Das ist erstaunlich, beachtet man, wie sich die Musikindustrie seit der ersten Aufstellung dieser Statistik in den 1950er-Jahren entwickelt hat.
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[≡] Richard Osborne / Dave Laing (Hg.)
Music by Numbers
The Use and Abuse of Statistics in the Music Industries
Intellect Books
256 Seiten
Das komplette Interview erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2021, erhältlich ab dem 19. März 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.