Rosa Luxemburg zum 150. Geburtstag
Wie die Erinnerung an eine große Revolutionärin ins Vergessen gestürzt wird
Die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung nimmt den 150. Geburtstag ihrer Namensgeberin zum Anlass, im Bundestagswahljahr allerlei mit rot-rot-grünen Regierungsträumen kompatible Entdeckungen zu präsentieren. So ist etwa auf einer neuen Webseite mit dem Titel »RS LXMBRG – Die Andersdenkende« zu erfahren, dass bürgerliche Freiheiten – inklusive »der Freiheit des Eigentums« –, die heute »zum nicht antastbaren Kernbestand des Grundgesetzes der Bundesrepublik gehören«, für Luxemburg »nicht verhandelbar« gewesen seien.
Während es die Springer-Presse noch für nötig hält, über die »rücksichtslose Revolutionärin« mit den Worten »Sie strebte einen bolschewistischen Staatsstreich an« aufzuklären, versuchen linksliberale Reformer, die Kommunistin als Sozialdemokratin an den Mann zu bringen. Die »Umformung eines kapitalistischen Modells in eine soziale Demokratie« sei ihre Agenda gewesen, schreibt die niederländische Schriftstellerin Joke J. Hermsen in ihrem jüngst veröffentlichten Essay »Rosa und Hannah: Das Blatt wenden«. Darin wird die Revolutionärin mit der bürgerlichen Philosophin Hannah Arendt auf einen Nenner gebracht: Beide seien für »Freiheit, Demokratie, Menschenwürde und politische Beteiligung« eingetreten, so Hermsen, und hätten lediglich die »politische Sphäre der Freiheit aus den Händen rein wirtschaftlicher Mächte retten« wollen.
Andere Vergleiche gipfeln in postmoderner Beliebigkeit: Die Zeit meint sogar, verblüffende Ähnlichkeiten zwischen Luxemburg und der Mätresse des französischen Königs Ludwig XV., Madame de Pompadour, ausmachen zu können: Nicht allein »der Zugang zum König, sondern Fleiß, Kenntnis, Scharfsinn« seien für Letztere der »Schlüssel zur Macht« gewesen, wie auch Luxemburg sich ihren Weg aus der provinziellen Arbeiterbewegung Polens »in die Mitte der deutschen Sozialdemokratie« durch »Talent, Intelligenz und Willenskraft« geebnet habe, heißt es in einem Artikel der Wochenzeitung. Dass Luxemburgs »Machtkarriere« damit endete, dass sie mit Wissen und Billigung der SPD-Führung ermordet wurde, wird ausgeblendet. Stets versuche man, die großen Revolutionäre nach ihrem Tod »in harmlose Götzen zu verwandeln, sie sozusagen heiligzusprechen«, schrieb Lenin im Jahr der Oktoberrevolution. »Man gesteht ihrem Namen einen gewissen Ruhm zu zur ›Tröstung‹ und Betörung der unterdrückten Klassen, wobei man ihre revolutionäre Lehre des Inhalts beraubt, ihr die revolutionäre Spitze abbricht.«
Matthias Rude
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2021, erhältlich ab dem 19. März 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.