Das glaubt die Musikindustrie, und Google glaubt es auch
Aus den Bemühungen der Bundesregierung im Kampf gegen Kinderpornographie ist noch das legendäre Stoppschild in Erinnerung. Statt Websites mit strafbarem Inhalt zu löschen, wollte Ursula von der Leyen ein Stoppschild aufploppen lassen, wenn man diese Websites öffnen möchte. Das Problem der Kinderpornographie verbarg sich hinter dem Schild. Es war nicht weg, nur gut versteckt. Die britische Musikindustrie denkt nicht viel anders. Sie interessiert sich nicht für Kindesmissbrauch, sie möchte das Filesharing einschränken. Das schafft sie nicht auf herkömmlichem Klageweg. Jetzt hat sie sich eine andere Lösung ausgedacht.
Google ergänzt Suchbegriffe automatisch. Gibt man »beat« ein, wird z.B. »beatles« vorgeschlagen. Es kann aber auch passieren, dass man »beatles torrent« angezeigt bekommt. Klickt man auf diese Zeile, hat man die Beatles-Alben zum freien Download vor sich.
Diese Anzeige will die Musikindustrie verhindern. Google soll seine Suchmaschine so optimieren, dass Schlüsselwörter wie »torrent«oder »download« nicht mehr im Zusammenhang mit anderen Wörtern angezeigt werden. Man müsste dann »beatles torrent« selbst in die Suchmaske tippen – solange Google noch die Suchergebnisse liefert.
Die Manipulation der Autocomplete-Funktion ist nur der erste Schritt. Gleichzeitig verlangt die Musikindustrie, ihre eigenen, kostenpflichtigen Downloadportale im Google-Ranking nach oben zu schieben. Sie sollen auf der Startseite stehen, wenn jemand einen Künstler oder Song sucht. Das ist ein tiefer Eingriff in den Algorithmus von Google. Man kann es auch Zensur nennen, und die Briten wissen das: »Search engines should actively censor their search results, and move links to ›authorized‹ music stores higher up.« Sollte sich die Musikindustrie durchsetzen, werden andere Industrien folgen. Das Filesharing wird dadurch nicht abgeschafft. Es wird nur verdeckt und verlagert sich in andere Bereiche. Das Internet wäre aber wieder ein Stück zensiert.
Jürgen Winkler
Den Artikel finden Sie in der melodie&rhythmus 1/2011, erhältlich ab dem 4. Januar 2011 am Kiosk oder im Abonnement.
Anzeigen br>