Die Wiedereinführung der Vinyl-Charts besiegt den Retrotrend
Martina Dünkelmann
Wenn der ewige technische Fortschritt eine Grundlage des Kapitalismus ist, dann lässt die folgende Meldung aufhorchen: Der Bundesverband Musikindustrie hat die Vinyl-Charts wieder eingeführt! Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die Plattenfirmen nur ihre einstmals treueste Kundschaft wiederentdeckt haben. Denn an der Spitze der ersten, im vergangenen Oktober veröffentlichten Vinyl-Rangliste fanden sich Iron Maiden, Slayer, Keith Richards und Motörhead. Die Musiker gehören vermutlich der gleichen Bevölkerungsgruppe an wie die Käufer ihrer Platten: männlich, zwischen 40 und 60 Jahre alt. Viele, die mit Schallplatten aufgewachsen sind, hören sie auch weiterhin. Und sie kaufen sich auch gerne Neuauflagen oder hochwertige (und hochpreisige) Sondereditionen der Lieblingsalben ihrer Jugendjahre, in denen die Kaufkraft meist sehr begrenzt war. In der zweiten Ausgabe der offiziellen Vinyl-Charts war dann Peter Gabriel gleich dreimal vertreten – ausschließlich mit Wiederveröffentlichungen.
Die Musikindustrie bedient Begehrlichkeiten aus der längst vergangenen Jugend natürlich gerne nachträglich. Neuauflagen sind Gelddruckmaschinen: Aufnahmen und Rechte sind schon im Haus, der Aufwand für die Veröffentlichung ist also gering – selbst wenn es sich um eine vergoldete Sonderedition mit ausklappbarer Plattenhülle im 3D-Design handelt. Es ist kein Zufall, dass die Charts nicht in Einheiten, also gemäß der Anzahl verkaufter Platten ausgegeben werden, sondern in Umsatzzahlen. Teure Sonderauflagen erhöhen diese erheblich. Die wiedereingeführten Vinyl-Charts sind Selbstbestätigung und Argument für Wiederveröffentlichungen.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 1/2016, erhältlich ab dem 30. Dezember 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.